Lieferkettengesetze als Herausforderung für österreichische KMU

Seit geraumer Zeit gibt es weltweit Diskussionen, wie sichergestellt werden kann, dass gewisse Menschenrechts- und Umweltstandards in der Lieferkette eingehalten werden. Einige Länder (z.B. die USA, das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Niederlande, Norwegen und zuletzt Deutschland und die Schweiz) haben bereits entsprechende Gesetze erlassen. Auf EU-Ebene liegt zudem ein Entwurf einer Lieferkettenrichtlinie vor.

 

Die seit dem 1. Jänner 2023 geltenden Verpflichtungen des deutschen Lieferkettengesetzes sind auf Grund der engen Verzahnung der österreichischen mit der deutschen Wirtschaft von besonderer Bedeutung für österreichische KMU.

 

Mann steht vor Vielzahl an Containern, ein Auto und ein Flugzeug sind zu sehen

 

Das deutsche Lieferkettengesetz

Das Lieferkettengesetz richtet sich an Unternehmen ungeachtet welcher Rechtsform, die ihren Satzungs- oder Verwaltungssitz oder zumindest eine Zweigniederlassung in Deutschland haben und dort zumindest 3.000 (ab 01.01.2024 1.000) Mitarbeiter:innen beschäftigen.

 

Die Unternehmen, auf die das Lieferkettengesetz direkt anwendbar ist, haben sich in angemessener Weise und nach eigenem Ermessen darum zu bemühen, dass es in ihrem Geschäftsbetrieb und in der Lieferkette nicht zu Verletzungen von Menschenrechten (Kinderarbeit, Sklaverei, Verletzung von Arbeitsschutzpflichten, Missachtung der Koalitionsfreiheit, Bezahlung ungleicher Löhne etc.) oder von bestimmten Umweltpflichten (Herstellung und Entsorgung quecksilberhaltige Produkte, Ein- und Ausfuhr von Abfällen, etc.) kommt. Diese Bemühungspflicht ist u.a. durch folgende Maßnahmen umzusetzen:

 

  • Einrichtung eines betrieblichen Risikomanagementsystems und Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen.
  • Ausarbeitung einer Menschenrechts-/Umweltstrategie im Unternehmen.
  • Verträge mit Zulieferern und Zulieferinnen müssen auch Menschenrechts- und Umweltstandards berücksichtigen.
  • Verpflichtung der direkten Zulieferer:innen, bestimmte Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu setzen und dies auch zu dokumentieren.

 

Bei einem Verstoß gegen das Lieferkettengesetz können über die verpflichten Unternehmen Geldbußen von bis zu EUR 800.000 oder – wenn der Umsatz des Unternehmens mehr als EUR 400 Mio. beträgt – von bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängt werden. Das Lieferkettengesetz sieht keine besondere zivilrechtliche Haftung vor.

 

Das Lieferkettengesetz wird zunächst dazu führen, dass die erfassten Unternehmen ihre unmittelbaren Zulieferer:innen verpflichten werden, Menschenrechts- und Umweltstandards einzuhalten. Diese werden ihrerseits ihre eigenen Sublieferanten:innen zur Setzung von Maßnahmen verpflichten müssen, um ihre vertraglichen Pflichten gegenüber ihren Kunden einzuhalten. Das Lieferkettengesetz wird daher mittelbar Auswirkungen auch für österreichische KMU haben, die überhaupt keine Mitarbeiter:innen in Deutschland beschäftigen.

 

Der Entwurf einer EU-Lieferkettenrichtlinie

Der derzeit vorliegende Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie geht weit über die Anforderungen des deutschen Lieferkettengesetzes hinaus:

 

  • Erfasst sind alle in der EU tätigen Unternehmen mit weltweit mindestens 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von EUR 150 Mio. sowie Unternehmen mit weltweit mindesten 250 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von EUR 40 Mio., wenn sie z.B. in der Textilindustrie oder einer anderen Branche mit „hohem Schadenspotenzial“ tätig sind.
  • Die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten betreffen anders als nach dem deutschen Lieferkettengesetz nicht nur primär die unmittelbaren Zulieferer:innen, sondern die gesamte Lieferkette.
  • Der Katalog der einzuhaltenden Menschenrechts- und Umweltstandards ist umfassender als nach dem deutschen Lieferkettengesetz.
  • Zivilrechtliche Haftung. Unternehmen sollen auch für Verstöße haften, die weit unten in der Lieferkette gesetzt wurden, und vom Unternehmen nur schwer kontrolliert werden können.

 

Wie können österreichische KMU mit dieser Herausforderung umgehen?

Allein in Folge des deutschen Liefergesetzes werden österreichische KMU eher früher als später von ihren Kund:innen aufgefordert werden, bestimmte menschenrechts- und umweltbezogene Maßnahmen zu setzen. Wollen österreichische Unternehmen darauf vorbereitet sein und nicht riskieren, Aufträge mit wichtigen Kunden zu verlieren, sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:

 

  • Zunächst sollten größere Kund:innen identifiziert werden, die dem deutschen Lieferkettengesetz direkt (oder ggf. indirekt über eigene Kund:innen ) unterliegen könnten. Bestehende Verträge sollten daraufhin geprüft werden, ob menschenrechts- und umweltbezogene Aspekte adäquat abgedeckt sind. Die proaktive Kontaktaufnahme mit wichtigen Kund:innen, um erforderlichen Änderungsbedarf möglichst reibungslos umsetzen zu können, ist ratsam.
  • Eine Due Diligence der eigenen bestehenden Lieferkette ist wesentlich. Welche Lieferant:innen sind für das eigene Unternehmen tätig? Könnte der Herstellungsprozess der bezogenen Vorprodukte Risiken in Zusammenhang mit dem Lieferkettengesetz verwirklichen (z.B. Verwendung von Quecksilber oder Textilherstellung in sogenannten „Sweat Shops“)? Wie können Verträge mit möglicherweise problematischen Zuliefer:innen rasch um menschenrechts- und umweltbezogene Standards adaptiert und erforderlichenfalls beendet werden?
  • Umfassende Dokumentation der erfolgten Maßnahmen zum Nachweis gegenüber den eigenen Kund:innen.
  • Ausarbeitung oder Ergänzung eines die Geschäftsführung und eigenen Mitarbeiter:innen bindenden Verhaltenskodex, der menschenrechts- umweltbezogene Themen umfasst.

 

Die Durchführung der Maßnahmen bildet einen wesentlichen Teil eines Lieferketten-Compliance Programms. Insbesondere der mit der Lieferketten-Compliance verbundene Dokumentationsaufwand sollte keinesfalls unterschätzt werden.

 

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Sicherstellung der Lieferketten-Compliance auch für österreichische KMU, die in der Lieferkette größerer Unternehmen stehen, ein wesentliches Thema ist, das sobald wie möglich angegangen werden sollte. Es ist zu erwarten, dass die Anforderungen an Unternehmen, menschenrechts- und umweltbezogene Standards in der Lieferkette zu berücksichtigen, in den nächsten Jahren noch ansteigen werden.

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Dieser Expertenbeitrag wurde am 23.06.2023 erstellt.

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Dr. Philippe Kiehl, LL.M.

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