Mit bewährten Stärken zurück auf Erfolgskurs
Der Empfang anlässlich des Tages der Deutschen Einheit im Oberbank Donau-Forum stand ganz im Zeichen der deutsch-österreichischen Allianz ebenso wie der Herausforderungen effizienter EU-Politik.
Foto: Eric Krügl
Frieden und Respekt als Säulen der Europäischen Union
Generaldirektor und deutscher Honorarkonsul in OÖ Franz Gasselsberger hob den gewaltfrei ablaufenden Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten hervor. Beispielhaft waren dabei der gegenseitige Respekt und die Diskussionskultur, die die Basis der Demokratie bilden. Die zunehmende Spaltung der heutigen Gesellschaft machen den Verlust dieser Tugenden schmerzhaft spürbar. Bevölkerung und Unternehmen erwarten vom Staat für jegliche Probleme Lösungen am laufenden Band und vergessen dabei das Gleichgewicht zwischen individuellen Leistungen und staatlichen Zuwendungen. Sollte sich die Erfolgsgeschichte der europäischen Integration fortsetzen und die EU die Position des größten Binnenmarktes der Welt verteidigen, „müssen sich neue Regierungen darauf konzentrieren, dass Leistung wieder positiv besetzt wird, sich Arbeit, Mehrarbeit und längeres Arbeiten lohnen und unser gemeinsamer Wirtschaftsstandort wieder attraktiver wird, damit auch die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt.“
Gemeinsam aus der Talsohle
Vito Cecere, Botschafter Deutschlands in OÖ, verwies auf die starke wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Verflechtung der beiden Nachbarn. Deutschland sei Wirtschaftspartner Nummer 1, das bilaterale Außenhandelsvolumen betrage 136 Milliarden Euro. Diese Verbundenheit stehe auch für den Zusammenhalt und die Stärke der EU. Beide Länder gelten als besonders exportorientiert und bekannt für die Qualität seiner Fachkräfte. Der Übergang zu neuen Ordnungen wie etwa zur Energietransformation lasse sich nur gemeinsam mit Mut und Optimismus bewältigen.
Vorrang von Ideen und neues Vertrauen als Vorsätze
Im folgenden Talk mit Moderatorin Christine Haiden betonte Thomas Stelzer, Landeshauptmann von OÖ, die großartige Entwicklung unseres Bundelandes, die aber ohne EU nicht möglich gewesen wäre. Man müsse sich nun wieder auf alte Stärken besinnen, vorrangig wieder mehr Ideen und weniger Vorschriften generieren. Deutschland solle erneut die Schrittmacherfunktion übernehmen. Dietmar Prammer, geschäftsführender Vizebürgermeister von Linz, sah als wichtigste Agenda, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung wiederzugewinnen. Vor allem gelte es etwa, Lösungen für ein leistbares Leben oder zeitnahe Arzttermine zu finden. Die Lokalpolitik habe dabei den Vorteil, über Parteigrenzen hinweg und mit weniger ideologischen Scheuklappen agieren zu können.
Geschichtlicher Rückblick und Prioritäten
Hauptreferent Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler von 2000 bis 2007 und 2006 EU-Ratsvorsitzender, unternahm zu Beginn seines Vortrags einen Streifzug in das Jahr 1989: Obwohl „die Wende“ mit der Demontage des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-ungarischen Grenze ins Rollen kam, war es damals den Medien kaum eine Meldung wert. Bis dahin war die Hälfte unseres Landes mit dieser gespenstischen Abriegelung von den kommunistischen Nachbarn abgeschnitten. Danach rückten wir plötzlich vom Rande Europas ins Zentrum, da sich 15 neue souveräne Staaten bildeten.
Schüssel spannte danach einen historischen Bogen von 1919 bis in die heutige Zeit, bei dem einige Parallelen in der Entwicklung unserer beiden Länder zu beobachten waren. Hervorzuheben gab es in Österreich 1945 die Einführung freier Wahlen, die in Deutschland erst 1949 möglich waren. Konrad Adenauer war hingegen federführend bei der Begründung der sozialen Marktwirtschaft.
Schließlich lagerte Europa die sicherheitspolitische Verantwortung mehrheitlich auf die USA aus, was heute nach deren sukzessivem Rückzug ein bedenkliches Vakuum ergäbe. Beeindruckend sei es, so der frühere Bundeskanzler, dass 27 europäische Länder in Frieden koexistieren. Vorher tobten in dieser Region in 300 Jahren 200 Kriege!
Sein oder Nichtsein
Für Schüssel gehe es beim EU-Projekt um nicht weniger als um die Existenz des gesamten Kontinents. Die aktuellen Herausforderungen seien vielfältig: Priorität habe es, sich gegen militärische Bedrohungen zu wappnen. Eine weitere Gefahr berge die Überdehnung der Gemeinschaft: Bei einigen Ländern wie der Türkei sei höchstens eine Wirtschaftsintegration anzustreben. Als bedenklich seien seiner Meinung nach auch Zentralisierung, Überregulierung und gemeinsame Schuldenaufnahme einzustufen.
Wichtig wäre es ebenso, weniger Maßnahmen zu planen, diese aber konsequenter durchzuführen. Außerdem sollen Stärken wie das vorbildhafte (Aus-)Bildungssystem mehr betont werden. In diesem Zusammenhang müsse Oberösterreich die Chance einer Digital-Universität als Leuchtturmprojekt unbedingt nutzen. Weiters müssten Wachstumsimpulse in erster Linie vom Binnenmarkt ausgehen. Positiv sei die beabsichtigte Budgetplanung der EU bis 2034 zu vermerken.
Im abschließenden Gespräch sahen Schüssel und Cecere u.a. die Politik gefordert, Ergebnisse zu liefern und auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Die EU habe ihren Rang unter den fünf Playern der Welt zu behaupten und dabei sein Freiheitsmodell, den Interessensausgleich und die klassischen Werte der französischen Revolution einzubringen.