Der Kunstmarkt im NFT-Fieber
Mehr als 13 Jahre lang hat der Digitalkünstler Mike Winkelmann alias „Beeple“ an seiner Digitalcollage „Everydays:The First 5000 Days“ gearbeitet. Im März 2021 wurde es vom Auktionshaus Christie’s zu einem Rekordpreis von 69 Millionen Dollar als NFT versteigert. Diese Auktion sollte Geschichte schreiben und löste innerhalb weniger Wochen den größten Boom aus, den der Kunstmarkt je gesehen hat.
NFT. Diese drei Buchstaben stehen für Non Fungible Token. Es handelt sich dabei um ein in der Blockchain gespeichertes Echtheitszertifikat. Das Besondere an diesen Token ist, dass sie weder austauschbar noch replizierbar sind. So kann ein Asset fälschungssicher zugeschrieben werden. Wer den NFT besitzt, hat das Original. NFTs bieten die Möglichkeit, ein digitales Werk einzigartig zu machen. Damit wird digitale Kunst erstmals sicher handelbar. Der Markt für NFTs ist seit der legendären Christie’s-Auktion regelrecht explodiert. Sotheby’s ist genauso auf diesen Zug aufgesprungen wie Galerien und Künstler. Plötzlich interessiert sich der breite Mainstream für digitale Wesen in Videogameästhetik wie die CryptoPunks oder CryptoKitties, animierte Farbverläufe, geometrische Grafiken, die per Zufallsgenerator entstehen, ja selbst für Memes wie die alte Nyan Cat, die im Vorjahr für 600.000 Dollar versteigert wurde.
Die Anfänge
Doch NFTs gibt es schon länger. Die Ersten lassen sich auf das Jahr 2014 datieren. Damals verkaufte der Künstler Kevin McCoy das GIF „Seven on Seven“ im New Yorker New Museum und veröffentlichte die Übertragung des Eigentums auf der Namecoin-Blockchain. Zusammen mit Anil Dash gründete er Monograph, die erste Plattform, die Blockchain-Technologie nutzte, um digitale Objekte zu authentifizieren. Ende 2016 entstanden die bis heute bekanntesten NFTs, die von John Watkins kreierten „CryptoPunks“, die seit Juni 2017 gehandelt werden, gefolgt von den „CryptoKitties“, die im November 2017 von Guile Gaspar geschaffen wurden. Auf der NFT-Handelsplattform OpenSea werden CryptoPunks derzeit für umgerechnet rund 250.000 Dollar gehandelt. Den höchsten Preis erzielte der CryptoPunk mit der Nummer 7523, den der Milliardär Shalom Meckenzie im Juni 2021 bei Sotheby’s für 11,8 Millionen Dollar ersteigerte. Die ersten „Punks“ kosteten 2017 übrigens nur eine Transaktionsgebühr von zehn bis 20 Dollar.
Fotoquelle: Christie's
On-Chain-NFT
Daniel Heiss, Software-Entwickler, Kurator und Künstler am Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe, sieht den Boom positiv: „Durch den NFT-Hype bekommt die gesamte generative Kunst mehr Aufmerksamkeit. Bisher bestand das Problem, dass alles, was rein digital war, nicht ernst genommen wurde, weil die Echtheit nicht beweisbar war.“ Durch NFTs könne einem digitalen Werk jetzt ein eindeutiger Wert zugewiesen werden. „Das eröffnet ursächlichen Zulieferern zur Videogame-Branche, Grafikdesignern und vielen anderen Kreativen jetzt völlig neue Möglichkeiten der Vermarktung“, so der Kurator. Er konzentriert sich beim Sammeln von NFTs für das ZKM allerdings auf eine andere Form, als derzeit überwiegend gehandelt wird, die sogenannten On-Chain-NFTs. „Während KäuferInnen eines NFTs normalerweise nur ein Zertifikat erwerben, das auf eine Datei verweist, die nicht in der Blockchain abgespeichert ist, sondern auf Webservern oder dem IPFS (Inter Planetary File System), gibt es NFTs, bei denen das Werk selbst in der Blockchain hinterlegt ist, genauer gesagt der Code, der das Werk generiert“, erklärt Heiss. Der Vorteil sei, dass die gesamte Information, die benötigt wird, um das Werk darzustellen, der Algorithmus, für immer unabänderlich und öffentlich zugänglich in der Ethereum-Blockchain vorliegt. Auch hier waren die Schöpfer der CryptoPunks, Watkinson und Hall, wegweisend. „2019 schufen sie Autoglyphs, die ersten generativen On-Chain-NFTs. Inzwischen gibt es spezielle Plattformen für On-Chain-NFTs, die es auch KünstlerInnen, die nicht über die Expertise verfügen, Smart Contracts für die Blockchain zu entwickeln, erlaubt, generative Programme dort abzuspeichern“, sagt Heiss.
Das Thema NFT hat inzwischen auch den Wiener Kunstmarkt erreicht. Erste Galerien machen Ausstellungen, wie etwa die Galerie Charim. Die beiden Galerien Croy/Nielsen und Emanuel Layr haben sogar die digitale Plattform CNL gegründet. „Es ist ein Experiment“, sagt Layr und gibt im selben Atemzug zu, dass es nicht einfach war, die ersten Schritte zu machen. Es ist eine technische Welt, in der sie keine Experten seien. Generell muss der traditionelle Kunstmarkt erst lernen, mit diesem neuen Phänomen umzugehen.
Der NFT-Markt
Seit dem Vorjahr ist der NFT-Markt regelrecht explodiert. Christie’s hat 2021 mit NFTs 150 Millionen Dollar umgesetzt, Konkurrent Sotheby’s 80 Millionen Dollar. Erstmals hat sich auch die Kunstökonomin Clare McAndrew, die jedes Jahr den renommierten „Art Market Report“ der Art Basel und UBS verfasst, mit NFTs beschäftigt. Dem Bericht zufolge hat sich der Wert der Verkäufe kunstbezogener NFTs außerhalb des Kunstmarktes 2021 im Vorjahresvergleich auf 2,6 Milliarden Dollar mehr als verhundertfacht. Zudem sind laut McAndrew KunstsammlerInnen sofort auf diesen neuen Hype aufgesprungen, haben doch 74 Prozent der für den Market Report befragten High-Net-Worth-Individuals schon im Vorjahr kunstbasierte NFTs gekauft. Der Durchschnittspreis lag dabei bei 9.000 Dollar.
Doch nach der ersten großen Euphorie scheint der Höhepunkt bei NFTs vorerst überschritten zu sein. Seit Herbst 2021 kommen NFTs nicht mehr an die Rekordverkäufe des ersten Halbjahres heran. Spricht man mit KennerInnen des Marktes, dann lautet die Empfehlung, mit einem Einstieg noch zu warten. Der Markt ist unüberschaubar, überhitzt und es wird viel Schrott angeboten, weil das schnelle Geld lockt. Die Erfahrung musste zuletzt auch Blockchain-Entrepreneur Sina Estavi machen, der im vergangenen März den NFT des allerersten Tweets von Twitter-Gründer Jack Dorsey für 2,9 Millionen Dollar kaufte. Anfang April wollte er den NFT wieder verkaufen, für 48 Millionen Dollar. Doch die Auktion auf OpenSea floppte. Der Verkauf schloss mit nur sieben Geboten und erreichte einen Höchststand von 0,09 ETH, was etwa 277 Dollar entspricht. Estavi zog den Verkauf letztlich zurück.
Dennoch sind NFTs eine Revolution für den Kunstmarkt und werden sicherlich nicht mehr verschwinden. Das zeigt sich schon daran, dass Marketleader wie Christie’s und Sotheby’s in das Geschäft eingestiegen sind. Wer investieren will, sollte sich zuerst mit dem Markt vertraut machen und bei renommierten Galerien oder Auktionshäusern kaufen.
Die wichtigsten Tipps für den NFT-Kauf:
- Vertraut machen. Wer sich als InvestorIn bisher noch nie mit Blockchain und Kryptowährungen beschäftigt hat, sollte sich zuerst eingehend mit dem Markt vertraut machen. Es gibt Hunderte NFT-Plattformen, viel Schrott und noch eine erhebliche Intransparenz.
- Währungsrisiko. Einer der großen Nachteile an NFTs ist, dass sie in Kryptowährungen gehandelt werden, meistens in Ether, und die schwanken erheblich. Wer in NFTs investiert, muss also mit dem Währungsrisiko rechnen.
- Bekanntheit. Im Grunde funktioniert der digitale Kunstmarkt aber nach denselben Regeln wie der analoge: die Suche nach einzigartigen Kunstwerken von bekannten Künstlern, die ein möglichst breites Publikum ansprechen. Je bekannter ein Künstler ist, desto höher ist die Nachfrage nach seinen Werken. Handelt es sich dabei um ein besonderes Werk im Schaffen des Künstlers, hat man den Jackpot.
- Abwarten. Die neue Technologie und der Wunsch, zu den Ersten zu gehören, die NFT-Kunst im Portfolio haben, hat zum Hype geführt. Zuletzt hat sich der Markt ziemlich abgekühlt. Daher sollte man abwarten, bis sich die seriösen Player herauskristallisiert haben und NFT als Tool und nicht als heiliger Gral gesehen wird.
Autorin: Eva Komarek beobachtet den Kunstmarkt seit über 20 Jahren aus der Perspektive des Wirtschaftsjournalismus. Sie verantwortet unter anderem die Kunstmarktberichterstattung in der Tageszeitung Die Presse.
Die Angaben gemäß § 25 Mediengesetz finden Sie unter folgendem Link: https://www.oberbank.at/aktionarsstruktur
Dieser Artikel wurde am 03.05.2022 erstellt.
Fotoquelle: Courtesy Sotheby’s
Fotoquelle: Hannah Sobol
Eva Komarek
Kunstkennerin, Wirtschaftsjournalistin
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