Faktencheck: Mythen in der Geldanlage
Wer sein Geld anlegen will, anstatt es in das Sparschwein zu setzen, setzt sich unüberschaubaren Risiken aus. Kompliziert ist die Welt von Börse und Kapitalmarkt. Damit ein Wertpapierdepot Ertrag bringt, braucht man viel, viel Startkapital. Und für Finanzgeschäfte dieser Art eignen sich obendrein besser Männer als Frauen. Ist das so? Treffen diese Aussagen zu? Oder tragen Unsicherheit und Falschinformation dazu bei, dass sich manches Halbwissen hartnäckig als Geld-Mythos entfaltet.
Wagen wir den Faktencheck.
Wir sparen eifrig. So lag laut Eurostat die Sparquote der privaten Haushalte in Österreich 2020 bei 19,96 %. Dabei hortet die überwiegende Mehrheit Erspartes in kurzfristigen, sehr niedrig verzinsten Sparprodukten wie Sparbuch oder Girokonto. Das zeigt eine europaweite Studie von JP Morgan Asset Management. 56 % der Befragten setzen auf das Sparbuch, sieben von zehn auf Festgeld. Investmentprodukte wie Fonds, Aktien oder Anleihen nutzen hingegen nur 24 %. Dabei interessant, die eifrigen SparerInnen verfolgen ein mittel- bis langfristiges Anlageziel. In anderen Worten: Die Ersparnisse müssen nicht täglich verfügbar sein!
Wie erklärt sich dieses ineffiziente Anlageverhalten?
Die Befragten geben selbst die Antworten. Angst vor drohenden Verlusten, Unwissenheit und Abneigung vor Risiko sind die am öftesten angeführten Gründe für die unproduktive Sparweise. 92 % der ÖsterreicherInnen sparen, doch nur 28 % nutzen eine Anlageform am Kapitalmarkt. Das hat Folgen: obwohl wir überdurchschnittlich fleißig sparen, sind die Erträge niedrig.
Die Angst vor Wertpapieren wird genährt von kostspieligem Halbwissen. Wagen wir den Faktencheck bei diesen sechs Finanz-Mythen:
- Geldanlage ist nur was für Reiche. Auch bekannt als: Geld anlegen zahlt sich erst mit hohen Summen aus.
- An der Börse kann man nur Geld verlieren.
- Finanzgeschäfte sind viel zu riskant für den/die NormalverdienerIn.
- Anlegen ist viel zu kompliziert für Laien.
- Mir fehlt die Zeit, mich auch noch umständlich um meine Finanzen zu kümmern.
- Finanzgeschäfte sind Männersache.
Mythos 1: Geldanlage ist nur was für Reiche. Aka: Geld anlegen zahlt sich erst mit hohen Summen aus.
Am Kapitalmarkt lässt es sich nur mit großen Beträgen arbeiten. Bei kleinen Beträgen zahlt sich der Aufwand doch nicht aus. Stimmt das?
Dazu ein Rechenbeispiel am Kleinstbetrag:
Angenommen, Sie sparen ab heute jede Woche 10 Euro. Das entspricht etwa drei Wurstsemmeln. Ein paar Semmeln weniger machen Sie weder unglücklich noch schadet es. Also los! Auf diese Weise im Monat zwölf Wurstsemmeln weniger, schon sind 40 Euro gewonnen. Mit etwas Durchhaltevermögen macht das 480 Euro im Jahr. Weiter so für dreißig Jahre und aus drei Wurstsemmeln in der Woche werden 14.400 Euro. Gut, nicht wahr?
Wer dieses Geld mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 3 % am Kapitalmarkt anlegt – anstelle es am Sparbuch zu parken - erwirtschaftet Ertrag. Nach Abzug der Kapitalertragssteuer ein Endbetrag von 20.462,59 Euro. Eine Belohnung von 6.062,59 Euro Zinsertrag allein für den Verzicht auf drei Wurstsemmeln in der Woche. Was meinen Sie: Lohnt es sich? Wofür geben Sie in der Woche 10 Euro aus?
Die Anlegerprofis scharren schon in den Startlöchern: Die Inflation! Danke. Die Kaufkraft des Geldes verändert sich über die Zeit. Nehmen wir an, dass die durchschnittliche Inflation über die kommenden 30 Jahre bei zwei Prozent liegt. Aus Ihren 10 Euro in der Woche verbleiben dann noch immer ein mehr von 1.736,67 Euro nach Steuer und Inflationsbereinigung. Und Ihre 10 Euro vor 30 Jahren entsprechen auch noch den aktuellen 10 Euro.
Lust auf Zahlenspiele? Hier drei Zins- und Ertragsrechner für kleine und große Zahlenspiele:
Beachte: Veranlagungen in Finanzinstrumente bergen neben Chancen auch Risiken und können mit erheblichen Verlusten verbunden sein.
Mythos 2: An der Börse kann man nur Geld verlieren.
Kurseinbrüche, Blasenbildung, Betrugsfälle – kaum ein Tag, an dem wir nicht von der wilden Welt des Börsenhandels hören. Dafür verantwortlich ist der Nachrichtenwert, der entscheidet, welchen Einflussfaktor Ereignisse in den Medien erzielen. Weltweit trifft es zu, dass schlechte Nachrichten mehr Aufmerksamkeit erzeugen. Das wirkt sich auch auf die individuelle Wahrnehmung von Gefahreneinschätzung aus.
“Heute wieder über 27.000 Flugzeuge ohne Vorfall unterwegs.” Ein Titel wie dieser scheint undenkbar. Dafür lesen wir vereinzelt von Flugzeugabstürzen und nehmen diese als dramatisch wahr. Das Ergebnis: Viele halten Fliegen für riskant. Statistisch gesehen ist Autofahren deutlich gefährlicher. 2021 starben 359 Menschen auf Österreichs Straßen (BMI). Im Vergleich dazu gab es 2021 weltweit nur 121 Todesopfer im Flugverkehr (statista.com).
Nun ein paar Zahlen zur weltweiten Entwicklung der Börsen (manager magazin):
- Die Rendite bei einer weltweiten Aktienanlage lag seit 1900 bei 5,2 % im Jahr.
- Für Anleihen ermittelten ForscherInnen eine jährliche Rendite von 2 %.
- Über die letzten 50 Jahre, brachten Aktien weltweit jährlich 5,3 und Anleihen 4,4 %.
- Im Vergleich dazu, erzielte das vermeintlich sichere Gold im selben Zeitraum nur 0,7 % Rendite.
Es handelt sich bei den angegebenen Werten um Vergangenheitswerte. Zukünftige Entwicklungen können davon nicht abgeleitet werden.
Diese Entwicklung am Wurstsemmel-Beispiel. 10 Euro anstelle von drei Wurstsemmeln über 30 Jahre mit 5,2 % Ertrag und einem Steuersatz von 25 % angelegt, ergeben am Ende 27.034,75 Euro Taschengeld. Und bessere Blutwerte.
Mythos 3: Das ist doch alles viel zu riskant.
Frau Durchschnittsösterreicherin geht mit 59,3 Jahren in Pension und bezieht dann 1.219 Euro brutto Pensionsgeld. Im Vergleich dazu sind Männer mit 61 Jahren zu Pensionsantritt etwas älter. Ihre Bruttopension fällt mit über 2.104 Euro um 885 Euro höher aus (statistik.at). Weiter gedacht bedeutet das für Frauen in Österreich: Es ist riskant, gutgläubig in die Zukunft zu leben mit dem Vertrauen, dass sich im Alter alles zum Guten fügen wird.
Im Vergleich mit drohender Altersarmut ist es demnach weitaus weniger riskant, ein Stück weit in Richtung finanzieller Vorsorge zu arbeiten. Aktive Altersvorsorge statt riskanter Hoffnung. Natürlich bergen Geldentscheidungen immer Risiko. So auch die Entscheidung nicht aktiv zu handeln und die finanzielle Vorsorge dem Faktor Zufall zu überlassen. Was die Zukunft bringt, weiß niemand. Das Fehlen einer schmucken Glaskugel ist kein Grund die eigenen Finanzgeschäfte auf die lange Bank zu schieben.
Das Leben ist lebensgefährlich. Und wie im Leben können wir auch in der Geldanlage das Risiko reduzieren:
- Langfristig denken. Veranlagen Sie langfristig für 15 bis 30 Jahre.
- Treiben Sie es bunt! Das Sparbuch ist ebenso wenig sicher, wie der Goldbarren oder die Aktie. Der bunte Mix reduziert die Risiken des einzelnen Investments.
- Smart einkaufen. Kaufen Sie nur das, was Sie verstanden haben.
- Klug entscheiden. Investieren Sie in Ihr Money Mindset und Ihr Geldwissen. Optimieren Sie so Ihre Wahrnehmung und Ihre Entscheidungsqualität.
Mythos 4: Das ist viel zu kompliziert. Oder auch: Da kenne ich mich nicht aus.
Leverage, Maximum Drawdown, KGV oder Turn Over Ratio. Am Kapitalmarkt sprechen sie eine Geheimsprache. Nicht ganz von der Hand zu weisen. Zugleich ist das Fachchinesisch kein Grund nicht aktiv in der Geldanlage zu sein. So einfach entschlüsseln Sie das Kauderwelsch:
- Zum Einlesen und Hören gibt es jede Menge Literatur, Blogs und Podcasts, die ohne Fachbegriffe auskommt oder diese verständlich erklären.
- Fragen Sie in Gesprächen mit BeraterInnen nach. Denn wer nicht fragt, bleibt dumm.
- Spezifische Fachbegriffe lassen sich mit nur wenigen Klicks entzaubern, indem du ein online Glossar wie das Lexikon der Börse Wien nutzt.
Mythos 5: Mir fehlt die Zeit dazu.
Keine Zeit, keine Zeit! – Wer gestresst durchs Leben jagt, hat irgendwo am Weg den Blick für das Wesentliche verloren. Demnach konsumieren Herr und Frau Österreicher täglich 522 Minuten Medien. Damit das klar ist, das sind fast neun Stunden. Täglich!
Vielleicht fragen Sie sich auch gerade, wer denn Ihre verbleibenden 6 Stunden konsumiert. Keine Zeit ist in Sachen Geldanlage eine beliebte Ausrede. Falls Sie dennoch das Gefühl haben, dass nicht Sie Ihre Lebenszeit bestimmen, sondern die Zeit Sie im Griff hat kann eine Zeitliste helfen. Notieren Sie für ein paar Tage, wo Sie Ihre Zeit investieren. Damit überblicken Sie Ihre Zeit und entscheiden bewusst, was notwendig ist und wo Sie Zeit sparen können.
Sie wollen Ihr Finanzwissen erweitern? Sie wollen aktiv Ihre Finanzen angehen? Jede Minute, die Sie investieren, wird sich lohnen. Beispielsweise 2 Stunden in der Woche. Das sind 17 Minuten am Tag. Wo können Sie täglich 17 Minuten weniger Medien konsumieren und sich dafür Ihren Finanzen widmen?
Damit sind wir bereits beim letzten populären Mythos:
Mythos 6: Geld ist Männersache.
Frauen besitzen weniger Geld als Männer. Im Global Wealth Report schätzen die ExpertInnen aus dem Credit Suisse Research Institut, dass etwa 40 % des weltweiten Gesamtvermögens auf Frauen entfallen. Dieser Wert bleibt seit der Jahrtausendwende relativ konstant. Klar, Frauen können mit Geld einfach nicht umgehen. Geld ist Männersache. Echt jetzt?!
Tatsächlich liegt die Ursache nicht in einem Chromosom, sondern ist geschichtlich, strukturell und kulturell bedingt. Über Jahrhunderte gelebt ist Geld Männersache, da Frauen weniger Vermögen besitzen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Damit sich das ändert, müssen wir etwas tun. Gerade daher ist Geld Frauensache. Schluss mit den Ausreden: Geld bevorzugt kein Geschlecht!
Autorin : Mag. Birgit Bruckner MSc, CIIA
Haftungsausschluss: Die Ausführungen in diesem Artikel stammen von Mag. Birgit Bruckner MSc, CIIA und erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitungen ohne Gewähr. Die Oberbank AG übernimmt für die Richtigkeit der Ausführungen in diesem Artikel keinerlei Haftung oder Verantwortung.
Dieser Artikel wurde im August 2022 erstellt.
Fotoquelle: Shutterstock
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Fotoquelle: Martin Wachtl
Mag. Birgit Bruckner MSc, CIIA
Psychologin
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