Die Welt im Zinssenkungsmodus?

Nun ist es auch in der Eurozone soweit: Die EZB hat am 7. Juni 2024 die Zinswende eingeleitet und ihre Leitzinsen um 25 Basispunkte reduziert. Hierbei handelt es sich um die erste Zinssenkung seitens der EZB seit knapp 5 Jahren. Dies wurde im Vorfeld sehr klar kommuniziert und hatte deshalb keine Auswirkungen auf die Finanzmärkte; die Zinssatzanpassung war bereits eingepreist.

 

In der Folge sinkt der Spitzenrefinanzierungssatz auf 4,50 %, der Hauptrefinanzierungssatz auf 4,25 % und der Einlagesatz auf 3,75 %. Nach einer aktualisierten Beurteilung der Inflationsaussichten hält die EZB es für angemessen, den Grad der geldpolitischen Straffung zu reduzieren, nachdem die Leitzinsen für 9 Monate unverändert geblieben waren. Seit der Sitzung im September 2023 ist die Inflation um mehr als 2,5 Prozentpunkte zurückgegangen und die Inflationsaussichten haben sich seitdem deutlich verbessert, obwohl der binnenwirtschaftliche Preisdruck angesichts des kräftigen Lohnwachstums nach wie vor hoch ist.

Für das Jahr 2024 erwartet die EZB eine durchschnittliche Gesamtinflation von 2,5 %, 2,2 % für 2025 und 1,9 % für 2026. Damit korrigierte die EZB ihre Inflationsprognose für die kommenden Jahre leicht nach oben. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum im Euroraum bleiben hingegen nahezu unverändert. Die EZB geht von einem jährlichen Wachstum zwischen 1 und 2 % aus. Analog zu den letzten Sitzungen betonte EZB-Präsidentin Lagarde abermals, dass der zukünftige Zinspfad weiterhin datenabhängig ist und man die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv halten wird, um das mittelfristige Inflationsziel von 2 % zu erreichen. Wir gehen von weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr aus, aller Voraussicht nach wird auf der nächsten Sitzung im Juli aber noch keine weitere Zinssenkung erfolgen.

 

Leitzinsentwicklung im Überblick

 

Polen, Tschechien und Ungarn

Dieser Schritt der EZB wurde aufgrund der schwachen Konjunktur bereits sehnsüchtig erwartet, nachdem viele osteuropäische Länder den Zinssenkungszyklus bereits eröffnet hatten. Den Anfang machte im September 2023 die polnische Zentralbank mit einem entschlossenen Schritt von 75 Basispunkten. Dies war zu einem Zeitpunkt als die EZB die Geldpolitik noch straffte. Die ungarische Nationalbank startete mit einer Verengung des Zinskorridors, ehe im Oktober 2023 erstmals ein Zinsschritt von 75 BP folgte. Vergleichsweise gering war der Zinsschritt der tschechischen Nationalbank mit 25 Basispunkten im Dezember 2023. Grund für die Zinssenkungen war der nachlassende Inflationsdruck, der von den Höchstwerten in Polen von 18,4 % (Februar 2023), in Ungarn von 25,7 % (Jänner 2023) und in Tschechien von 18 % (Herbst 2022) ausging. Ziel aller drei Notenbanken ist die Preisstabilität von 2 % in Tschechien, 2,5 % in Polen und 3 % in Ungarn mit einer Schwankung von +/- 1 %. Dieser Korridor konnte erreicht werden. Besonderes Augenmerk wird von den Notenbanken auch auf das Abwertungsrisiko der Währungen gelegt. Denn der Wechselkurs hat Auswirkungen auf Inflation und Wirtschaftswachstum; eine schwache Währung begünstigt zwar die Exporte, verteuert jedoch Importe und trägt so zu höheren Inflationsraten bei, die dann wieder Zinserhöhungen notwendig machen.

 

Inflationsentwicklung im Überblick

 

Nach einigen Zinsschritten haben die Notenbanken von Tschechien und Ungarn ihren Lockerungskurs verlangsamt. Die Zinsschritte sind kleiner geworden und Polen hat überhaupt eine Pause eingelegt. Wir rechnen zum Jahreswechsel mit einem Leitzins in Tschechien von 5,5 %, bei der MNB in Ungarn erwarten wir noch Senkungen bis 7,25 %.

 

Allen gemeinsam ist, dass sehr intensiv auf die Entwicklung der Inflationsraten geschaut werden muss. Diese Entwicklung kann die Senkungsfantasien, auch jene der EZB, auf längere Sicht bremsen – hier sind die osteuropäischen Länder in gewisser Weise Vorreiter.

 

Wie geht es in den USA weiter?

Die FED war in der Vergangenheit immer Vorreiter gegenüber der europäischen Zentralbank bei ihren Zinsentscheidungen; sowohl was entschlossene Zinserhöhungen betrifft wie auch bei den Zinssenkungen. Diesmal ist es erstmals anders; die EZB geht mutig voraus. Wird dies gutgehen und hat man das oberste Gebot der Preisstabilität im Griff?

 

Aktuell ist die Zinsfantasie in den USA etwas verflogen – am 11./12. Juni wird keine Zinssenkung erwartet. Genau hinhören muss man auf die Projektionen der FOMC-Mitglieder; wird es ein Schwenk zu der im März proklamierten Lockerung der Geldpolitik um 75 BP in diesem Jahr? Die Inflation ist hartnäckiger als erwartet bzw. hat nach einem Rückgang Ende 2023 im April 2024 wieder spürbar zugenommen, was die Verzögerung erklärt. Wir rechnen trotzdem damit, dass sich vor allem im 4. Quartal doch noch etwas an der Zinsfront tut und der Leitzins um 50 BP fällt. Der Futuremarkt preist dies auch ein.

 

Insgesamt haben wir weltweit in den Industrieländern sinkende Zinsen bzw. Zinssenkungstendenzen (USA), was der schwächelnden Weltwirtschaft doch deutliche Unterstützung verleihen sollte.

 

MARKETINGMITTEILUNG: Die vorliegenden Informationen dienen lediglich der unverbindlichen Information von Kunden. Diese Marketingmitteilung stellt weder eine Anlageberatung noch eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie berücksichtigt nicht die persönlichen Merkmale des Kunden und kann eine individuelle Beratung und Risikoaufklärung durch einen Berater nicht ersetzen.
Veranlagungen in Finanzinstrumente bergen neben Chancen auch Risiken und können mit erheblichen Verlusten verbunden sein.
Handelt es sich bei den angegebenen Werten um Vergangenheitswerte, können zukünftige Entwicklungen davon nicht abgeleitet werden.
Einschätzungen/Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Entwicklung.
Die Angaben gemäß § 25 Mediengesetz finden Sie unter folgendem Link

 

Oberbank AG, Niederlassung Deutschland, Sitz: München, Registernummer: HRB 122267, Amtsgericht München, Niederlassungsleiter und ständige Vertreter: Robert Dempf, Franz Kinzler, Ralf Wenzel, Stefan Ziegler.
Oberbank AG, Hauptsitz: Linz, Österreich, Rechtsform: Aktiengesellschaft, Firmenbuchnummer: FN 79063 w, Landesgericht Linz, Vorstand: Vorsitzender Generaldirektor Dr. Franz Gasselsberger, MBA, Vorstandsdirektor Mag. Florian Hagenauer, MBA, Vorstandsdirektor Martin Seiter, MBA, Vorstandsdirektorin Mag.a Isabella Lehner, MBA, Aufsichtsratsvorsitzender: Dr. Andreas König.

 

 

Prok. Mag. Peter Sailer

 

Autor:

Prok. Mag. Peter Sailer

Treasury und Handel, Oberbank AG